Full text: Grundriß zur Vorlesung über Allgemeine Staatslehre und Politik

Einigungen selbständiger Staaten zur gemeinsamen Ausübung 
gewisser Hoheitsrechte, weil auch die Verfassungen von 1785, 1848 
und 1867/71 nur durch Willensakte der Gliedstaatsregierungen 
zu stande gekommen seien (Calhoun, Seydel). Aber abgesehen 
davon, dass auch das Gesamtvolk — wenigstens in manchen 
Fällen — mitgewirkt hat, ist für das Wesen der staatlichen 
Bildungen nicht der zufällige historische Prozess ihrer Begrün- 
dung massgebend, sondern das schliessliche Resultat, die Art 
ihrer Lebensbethätigung. Eine höhere staatliche Einheit über den 
mehreren Gliedstaaten besteht aber immer dann, wenn staatliche 
Aufgaben durch Organe des Bundes mit unmittelbarer 
Wirkung für alle Gliedstaaten, bez. für die einzelnen 
Bürger aller Gliedstaaten ohne Rücksicht auf die 
territorialen Grenzen und auf die Staatsangehörig- 
keit der Bürger durchgeführt werden. Dies aber ist in den 
neueren Staatenverbindungen thatsächlich der Fall: Gesetzgebung 
durch Organe des Gesamtstaats (durch Bundesrat und Reichstag, 
— Publikation der Gesetze mit unmittelbar verbindlicher Wirkung 
durch den Kaiser ete.), Rechtsprechung eines obersten Reichs- 
gerichts, — Marine-, zum Teil Heeresverwaltung, Postverwaltung 
durch Reichsbeamten, Repräsentation des Gesamtstaats im völker- 
rechtlichen Verkehr durch den Kaiser, die Reichsgesandten, Reichs- 
konsuln ete. Infolgedessen sind die Staatenverbindungen gegen- 
wärtig selbständig handelnde staatliche Subjekte (im Sinne ob, $ 4). 
Sie sind Bundesstaaten oder Staatenstaaten. 
Ill. Keine eigenartige Gestaltung der Staatenverbindung 
bezeichnet die Union. Die Personalunion, die vorübergehende 
Vereinigung mehrerer selbständiger Staaten unter demselben 
Staatshaupt nach dem zufälligen Einfluss der verschiedenen Erbfolge- 
ordnungen oder der Wahl (vgl. o. z. Anf. des $) ist überhaupt 
keine rechtliche Verbindung der Staaten; sie kann jederzeit durch 
Abweichungen der Erbfolge etc. enden (z. B. die zwischen Däne- 
mark und Schleswig 1848 ; die zwischen England und Hannover 1837). 
Der Realunion, die durch Verfassungsgesetz dauernd verfügte 
Vereinigung mehrerer Staaten unter dem gleichen Staatshaupt 
nach Massgabe einer grundsätzlich gemeinsamen Erbfolge- oder 
Wahlordnung, kann andrerseits eine Mehrheit von politischen Formen
	        
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