Full text: Grundriß zur Vorlesung über Allgemeine Staatslehre und Politik

3. Kapitel: Monarchie und Demokratie. 
$ 18. Die Staatsformen. 
[. Die ältere Staatslehre pflegte die Verschiedenheit der 
Staaten, abgesehen von ihrer Gliederung, aus der Verschiedenbeit 
ihrer „Staatsformen“ zu erklären und verstand unter Staats- 
form die Gestaltung des „Trägers der Staatsgewalt.“ Sie nanute 
die Staatsform monarchisch, aristokratisch oder demokratisch, je 
nachdem die Staatsgewalt in der Hand eines Einzigen, einer 
rechtlich abgeschlossenen Gruppe oder einer aus der Gesamt- 
heit des Volks (in weiterer oder engerer Abgrenzung) hervor- 
gehenden Person oder Personenmehrheit lag. Daneben werden 
nach Vorgang des Aristoteles) Zwischenstufen oder Ausartungen 
angenommen: Tyrannis oder „Absolutmonarchie“, — Oligarchie oder 
„Klassenherrschaft“, — Ochlokratie oder Pöbelherrschaft, „Demo- 
kratie“ (im Sinn des Aristoteles, da dieser die geordnete Demo- 
kratie als „Politie“ bezeichnet). Für kompliziertere Verhältnisse 
wird eine aus monarchischen etc. Elementen „gemischte“ Staats- 
form aufgestellt. 
Aus Teil I und Teil II Kap. 2 geht jedoch hervor, dass 
dem Begriff der Staatsform die falsche Vorstellung zu Grunde 
liegt, als ob regelmässig ein einheitlicher Träger der 
gesamten Staatsgewalt vorhanden sei. In Wahrheit ist dies aber 
aine anomale Gestaltung des Staatslebens, die des Absolutismus, 
der im Gegenteil immer ausserordentliche Störungen des inter- 
nationalen Lebens zur Voraussetzung hat (o. 8 7). Im regel- 
mässigen Falle dagegen sind die verschiednen obersten 
Funktionen an ein Mehrheit verschiedner oberster 
Organe (verfassungsmässig) verteilt, Die Frage nach den 
Staatsformen vermengt also zwei scharf zu trennende Gegensätze, 
lie beide für den Charakter eines individuellen Staatsgebildes be- 
astimmend sind: 
1. den Gegensatz der verschiednen Grade der Verfassungs- 
ausbildung, d. h. der Garantien für die rechtliche Sicher- 
neit des Staatslebens (Gegensatz von Verfassungsstaat und 
Absolutismus).
	        
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