Qichard Schmidt, Staatslehre 21.
Il. Ein allgemeines Urteil über die grösseren Vorzüge
der einen oder andern modernen Staatsform lässt sich hiernach
ebensowenig abgeben wie über die irgend einer älteren Regierungs-
form (0. $ 19). Dass die Monarchie ein für allemal die Demokratie
an Stetigkeit überbietet, kann angesichts der stetigen Politik der
anglischen und amerikanischen Demokratie gegenüber der spanischen,
der preussischen Monarchie Friedrich Wilhelms IV. nicht zugegeben
werden; — ebensowenig dass die Demokratie grössere „Gleichheit“,
l. h. Fähigkeit habe zwischen den Volksklassen auszugleichen
‘Roscher; s. dagegen die geringe Ausbildung der modernen Sozial-
politik in Frankreich, den vereinigten Staaten) oder dass sie grössere
Volkstümlichkeit (Verständnis für die jeweiligen Volksinteressen) oder
zrössere Oeffentlichkeit besitze. Sonach kann auch hier nur darüber ein
Urteilabgegeben werden, welche Vorzüge und Nachteile eine Regierung
im Hinblick auf die verschiednen Kultur- und Verfassungs-
aufgaben eines Staatslebens und unter den jeweiligen ver-
schiednen Bedingungen des Gesellschaftslebens einer Nation
besitzt. Hierbei stellt sich als Bedingung eines stetigen Funktio-
nierens der Parlamentsherrschaft vor allem: heraus, dass eine ein-
fache, wenig zersplitterte Parteibildung besteht, — so nach der
yanzen Tradition in England (keine agrarisch-industriellen, keine
monarchisch-demokratischen, keine konfessionellen Gegensätze, ausser
neuerdings infolge der Irländerbewegung). Die Parteiverhältnisse
des Festlands, spez. Deutschlands und Frankreichs bieten diese
Bedingung nicht und können nur durch eine über den Parteien
stehende Monarchie in stetiger Eutwicklung erhalten werden, da
die Zersplitterung der Parteien, wie Frankreich beweist, einen
anausgesetzten Wechsel der Parteiministerien herbeiführen müsste.
Hierzu kommt, dass die fortdauernde Gefahr kriegerischer Bedrohung
anter den Festlandstaaten für den Fall ausserordentlicher Um-
stände das Bedürfnis nach einer raschen militärischen Konzentration,
avent. Neuorganisation begründen kann; eine solche kann am
sichersten die Monarchie (etwa nach Art der römischen Dictatur)
anter Zurückdrängung der. konstitutionellen Elemente, also im
absolutistischen Sinne, bewirken (Bismarck’s „Konflikt“ 1862—66).