Granowski, Timofej Nikolajewitsch, Professor an der
Moskauer Universität.
Zu den wohlthätigsten Folgen der fortschreitenden Auf-
klärung gehórt unstreitig die praktische Anwendung der
Principien der Toleranz und wahren Nichstenliebe, die das
charakteristische Merkmal der christlichen Religion bilden,
auf die Beziehungen der Menschen und Völker. Mit jedem
Tage verschwinden mehr und mehr die feindseligen Vor-
urteile der Sekten und Konfessionen; von Stunde zu Stunde
gestaltet. sich. das Band zwischen den Gliedern der unge-
heuren Familie, welche man die Menschheit nennt, immer
fester und fester. Der staunenswerte Umschwung, der sich
innerhalb der letzten Jahre in der Lage der russischen
Juden vollzogen hat, dient als das offenkundigste Beispiel
dieser Annäherung. Es ist noch gar nicht lange her, dass
die Kinder Israels mitten in unserer Civilisation unglück-
licher dran waren, als die Gilde der Gerber in Japan.
Über alle Lande zerstreut, ohne Vaterland, ohne politische
Existenz, fanden sie bei den übrigen Völkern weder ein
sicheres Asyl noch Mitleid für ihre Leiden. Die Kirche
verfolgte sie mit ihrem Fluche; das Volk hasste sie; die
Regierungen müssachteten sie und plünderten sie aus; sogar
die Gelehrten, die sich mit ihrer Geschichte beschäftigten,
teilten das allgemeine Vorurteil und schienen in den Chro-
niken dieser unglücklichen Verbannten nur immer neue
Vorwände für den Hass und neue Anlässe zur Anklage zu
suchen. Der ältere Wolf, Bartolozzi, Basnage, Männer von
so riesenhafter Gelehrsamkeit, sammelten alle Thatsachen,