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ziehen, ihren Grund, sondern sehr oft in dem Mangel an
Kleidung und der weiten Entfernung des Wohnorts, da die
Schüler bisweilen im herbstlichen Regenwetter oder in
winterlicher Külte eine weite Strecke zurückzulegen haben,
und zwar nicht nur ohne ein würmendes Oberkleid, sondern
überhaupt nur in Lumpen, die kaum die Blósse des Kor-
pers bedecken . .
Auch über die Unreinlichkeit der Schäler wird Klage
geführt; aber ist es wohl möglich, mitten in dem schreck-
lichen Elend, in dem die Mehrzahl der Juden sich befindet,
Reinlichkeit zu beobachten? Sind doch überhaupt Kinder
im allgemeinen, ohne eine strenge Aufsicht von Seiten der
Bonnen und Gouvernanten, nicht allzusehr auf die Beob-
achtung von Sauberkeit und Reinlichkeit bedacht — selbst
in solchen Häusern, in denen diese Dinge als eine Haupt-
bedingung des häuslichen Lebens betrachtet werden...
Ich bin der Meinung, dass trotz der zwischen ihnen
[den Juden] und uns bestehenden religiösen Schranken wohl-
meinende Menschen ihr Augenmerk auf die Lage des jüdi-
schen Volkes richten sollten, das die Last Jahrhunderte alter
Vorurteile auf seinen Schultern trägt, und das vor allem
Mitleid und Erleichterung seines Loses, nicht aber Ver-
achtung und Verfolgung verdient. Ich bin der Meinung, dass
viele unter uns, durchdrungen vom Gefühle der Toleranz
und Menschenliebe, auch in den armen Juden ihre Nächsten er-
blicken werden, und dass die Juden ihrerseits, indem sie sich
davon überzeugen. dass die Christen nicht ihre Feinde sind,
jenes Ausspruchs des Talmud eingedenk sein werden, der seine
Anhänger lehrt, dass alle Völker Kinder eines und desselben
Gottes sind.
OGb oópasonauis enpeemp mp Poecir — Pycexiü Iedarorn-
«ecrit Bhermunceb. — Über die Bildung der Juden in Russland. *) —
Russische Pädagogische Nachrichten 1857. No. 4. S. 467, No. 5. 5. 58.
II. Früher, als es noch keine konsequente, systema-
tische Behandlung der Judenfrage gab, war sehr häufig für
*) J. P. Karnowitsch war damals (1856—57) Kanzleivorsteher
des Kurators des Wilnaer Schulbezirks.
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