Full text: Die Juden in Russland; Urkunden und Zeugnisse Russischer Behörden und Autoritäten

1. — 
naleu Feindsehaft| ganz dieselbe ist, die auch zwischen den 
verschiedenen Klassen eines und desselben Volkes Zwic- 
tracht, Hass und Feindschaft hervorruft. Die arme Klasse 
beneidet die reiche; der Reiche verachtet den Armen; der 
Starke den Schwachen; kürzer gesprochen, die Ursache liegt 
im innersten Wesen der Gliederung nach Ständen begründet, 
das tief eingewurzelt ist in. der menschlichen Gesellschaft, 
so tief, dass auch jede Nation in den Augen einer anderen 
Nation gleichsam als eine andere, feindlich gesinnte Men- 
schenklasse erscheint. Giebt nieht auch die Geschichte Be- 
weise hierfür? Ist nicht zu denselben Zeiten, da der Kasten- 
geist herrsehend war und die Stände sich scharf von ein- 
ander unterschieden, auch die stärkste Feindschaft der christ- 
lichen Gesellschaft gegen die Juden zu Tage getreten? Dürfen 
die Juden nicht in denjenigen Ländern am ehesten Annä- 
herung, Freundschaft und Rechtsgleichheit erwarten, in denen 
der Kastengeist bereits in bemerkbarer Weise geschwächt 
ist? Sie, geehrte Herren, sprechen mir ihre Sympathie da- 
für aus, dass ich selbst mit der jüdischen Nation Sympa- 
thien gehabt habe. Aber das ist kein Verdienst, das liegt 
in meiner Natur; ich konnte nicht im Widerspruch mit mir 
selbst handeln. Seit ich auf dem Wege der Wissenschaft 
in die Arena des öffentlichen Lebens getreten bin, sind mir 
die Vorurteile der Stände ganz besonders zuwider gewesen, 
und ich habe umwillkürlieh diese Auffassung auch auf die 
nationalen Unterschiede übertragen. Wie in der Wissen- 
schaft, so auch im Leben, wie unter meinen Berufsgenossen, 
so auch unter meinen Untergebenen und Vorgesetzten habe 
ich niemals Unterschiede im Sinne einer Ausschliesslichkeit 
der Kaste oder Nationalität gemacht. Und dieselben Über- 
zeugungen habe ich auf die Juden übertragen, als ich durch 
Verhältnisse des Lebens und des Dienstes mit ihren gesell- 
schaftlichen Kreisen in Berührung kam. Und diese Über- 
zeugungen, die eine Konsequenz meiner Bildung sind und 
sich während eines ganzen Lebens herausgearbeitet haben, 
sind mir bereits zur zweiten Natur geworden und werden 
mich bis an mein Lebensende nicht verlassen! 
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