Full text: Die Juden in Russland; Urkunden und Zeugnisse Russischer Behörden und Autoritäten

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sondern jeder hat seine Beschäftigung und erwirbt sich seinen 
Lebensunterhalt durch Arbeit, wenn diese Arbeit auch nur 
in einfachen Faktordiensten besteht. Auf den ersten Blick 
wird es sonderbar erscheinen, warum ein so arbeitsames 
Volk, das aus einem Nichts Profit zw ziehen versteht, sich 
nieht mit dem Ackerbau abgeben mag, der doch das sicherste 
Mittel ist, nicht nur eine Familie zu ernähren, sondern auch 
einen künftigen Wohlstand zu sichern. Die Sache liegt sehr 
einfach. Durch das Versprechen von Haus, Ochsen, Land 
und Reisegeld zur Übersiedelung auf Staatskosten nach dem 
neuen Bestimmungsort verlockt, griffen die wahrhaft armen 
Teufel zu und zogen in das ihnen zugewiesene Land. In 
der That gingen, mit wenigen Ausnahmen, nur Proletarier 
hin, die am Nótigsten Mangel litten und durch harte. Arbeit 
einen kürgliehen Unterhalt erwarben. Man baute ihnen ein 
Bauernháuschen, mass ihnen das Land zu, schenkte ihnen 
das Arbeitsvieh und gab ihnen Geld zum Ankauf von Acker- 
gerüten. So schien es, als ob alles gethan, alle Mittel 
ihnen gewährt seien — sie brauchten nur fleissig an die 
Feldarbeit zu gehen. Aber Theorie und Praxis stimmen 
nicht immer mit einander überein. Nach der Theorie konnte 
man, indem man die Ziffer der Ansiedler und die Anzahl 
der Dessjatinen Landes zur Hand hatte und die Beschaffen- 
heit des Bodens mit in Betracht zog, auf dem Papiere den 
mittleren Ernteertrag der neuen Kolonie feststellen und sogar 
die Durchschnittseinnahme des einzelnen Kolonisten be- 
stimmen. In der Wirklichkeit aber entwickelte sich die 
Sache, den statistischen Aufstellungen zum Trotz, doch ein 
wenig anders. Damit ein Mensch, der sein ganzes Leben 
lang mit Nadel oder Ahle zu thun gehabt hat, sicher und 
rasch hinter dem Pfluge einhergehe, säen, mähen, ernten 
und dreschen lerne, ist kaum weniger Zeit notwendig, als 
damit ein erwachsener Ackerbauer einen Kaftan nähen oder 
ein Paar Stiefel zusammensteppen lerne. Ja ich weiss nicht 
einmal, was schwieriger ist. Der Gebrauch der Nadel oder 
Konstantin Nikolajewitsch nach dem Süden Russlands entsandt, „behufs 
Schilderung der Schiffahrt, des Fischfangs und überhaupt des Lebens der 
ländlichen Einwohnerschaft an den Ufern des Dnjepr und Dnjestr.“
	        
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