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rend der arme polnisehe Jude, von allen verachtet, in Kummer
und Elend sein Leben hinschleppt — was müssen dann
eben diese Rothschilds und die übrigen Juden von unserer
Religion, unserer Erziehung, unserer Gemütsart denken? ...
Trunkenheit, diese Geissel der nordischen Völker, ist
den Juden vollkommen fremd; in ihrer Nahrung sind sie
äusserst enthaltsam, und die Sitte, frühzeitig zu heiraten,
bewahrt sie vor illegitimen Verbindungen und anderen Ver-
irrungen . . . Das Bóse, das wir ihnen zuschreiben, ist ein
Werk unserer Hánde; das Gute, das wir an ihnen bewun-
dern müssen, verdanken sie sich selber... Wenn die Juden
auch nur eim Viertel unserer Fehler hütten, würe ihr Name
làngst vom Antlitz der Erde vertilgt worden.
Esper mn xpueriage. — Juden und Christen, — Moskau 1888.
2. Autl. 5. 17. 20. 37. 39.
Schelgunow, Nikolaj Wassiljewitsch.
...Man muss diesen Zeitungen die Gerechtigkeit wider-
fahren lassen, dass sie ihren Kampf mit den Juden ohne
Furcht und Rücksicht führen. Wenn es nach ihrer Meinung
notwendig erscheint, die Juden irgend einer unerhörten
Brandstiftung oder ‚eines Agrarverbrechens anzuklagen —
dann werden sie das eine oder andere ersinnen; ist es not-
wendig, sie irgend einer beispiellosen Mordthat zu beschul-
digen — sie werden auch die Mordthat erdichten. Weshalb
aber geschieht das alles? Ja, das isUs eben — weshalb?
Ich kenne ein paar vornehme Petersburger Damen, die
niemals Petersburg verlassen, nie in ihrem ganzen Leben
einen Juden gesehen haben, und die trotzdem das Wort
„Jude“ nicht ruhig anhören können. Und diesen unbezwing-
lichen Hass gegen die Juden, der fast an Idiosynkrasie streift,
haben sie einzig und allein aus ihrem Leibblatt „Nowoje
Wremja* herausgelesen .
Aber nun sind fünfundzwanzig Jahre vergangen, und
die zur Herrschaft gelangte Toleranz musste wieder der In-
loleranz Platz machen, als ob wir plótzlich aus dem neun-
zehnten Jahrhundert ins Mittelalter zurückgesprungen wáren.
Was ist denn eigentlich geschehen? Haben die Juden in