Full text: Die Juden in Russland; Urkunden und Zeugnisse Russischer Behörden und Autoritäten

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käufer muss verdienen, und so bleibt dem Dorfhändler nicht 
die Hälfte von dem, was er früher hatte.“ .. 
Ich war gezwungen, ein Unterkommen im Gasthof 
.,Zur Stadt London und Paris* zu suchen .. 
Nach längerem Suchen kam ich in ein ziemlich: grosses 
Zimmer, aber überall, auf den Bänken, auf dem Sopha, 
auf dem Boden lagen bereits menschliche Gestalten in 
ganzen Reihen umher... 
Ich stand ein paar Sekunden unentschlossen da und 
machte dann Kehrt, da hier doch keine Möglichkeit vor- 
handen war, ein Unterkommen zu finden. 
„Hören Sie, es ist ja kein Platz da,“ sprach ich 
schüchtern in das Dunkel hinein, aus dem mich jemand 
zum Dableiben aufforderte. 
,He? Was? Es sind ja Fuhrleute.“ 
„Nun, und wenn’s ‘auch Fuhrleute sind, so ist doch 
immer noch kein Platz da, versetzte ich, indem ich mög- 
lichst viel Nachdruck in meinen Ton legte. 
,Sie werden bald wegfahren. Wer sind Sie denn, ein 
Jude? Legen Sie sich vorläufig dahin!“ 
Ich sah, wie sich eine gespenstische, unheimlich lange 
Gestalt auf einem der Betten aufrichtete. Sie sass eine 
Weile da, gàhnte und erhob sich dann, als ob sie einen 
endgültigen Entschluss gefasst hätte, indem sie bei dem 
düstern Schein, der aus dem benachbarten Zimmer herein 
drang; meine Züge zu unterscheiden suchte. 
„Sind Sie ein Jude? Nun, legen Sie sich, legen Sie sich 
mit Gott auf meinen Platz.* 
Ich hielt es nicht für angebracht, den Irrtum zu zer- 
stören, der mir dazu verhalf, dass ich endlich mein müdes 
Haupt irgendwo niederlegen konnte . . 
„Wer ist denn das?“ fragte ein Mann mit verbundenem 
Gesichte, indem er nach mir hin den Kopf neigte. 
„Ein Jude.“ 
,,Hat man sie wieder hereingelassen ?“ 
„Hab’ nichts gehört.“ — — 
Ein paar Minuten trinken sie schweigend weiter. Dann 
Juden in Russland. 11 
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