Full text: Die Juden in Russland; Urkunden und Zeugnisse Russischer Behörden und Autoritäten

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die Förderung eines rein sittlichen Verhältnisses des Menschen 
zu ihm ein, alles ist einem hochsittlichen Grundgedanken 
untergeordnet. Dieser Grundgedanke ist der lebendige Ver- 
kehr des Menschen mit dem lebendigen unendlichen Gott. 
D. Wenn die Idee der Feiertage in der jüdischen Re- 
ligion sich durch ihren edlen Charakter auszeichnet, so trägt 
die ceremonielle Einrichtung derselben den gleichen Stempel 
eines hohen rein sittlichen Charakters. Es giebt keine heid- 
nische Religion (ausgenommen vielleicht die chinesische und 
zum Teil auch die iranische), deren Kultus, namentlich im 
Punkte der Feiertagsgebräuche, nicht einen mehr oder we- 
niger grobsinnlichen, orgienartigen Charakter hätte, oder 
nicht von Verrichtungen gewaltthätiger, wild ascetischer Art und 
förmlicher Raserei begleitet wäre. Die jüdische Religion ist 
allein von dergleichen völlig frei. Nichts, was dem Grob- 
sinnlichen und dem Laster schmeichelte, nichts, was über 
die Grenzen ruhiger Freude und stiller Beschaulichkeit hin- 
ausginge, findet sich in ihrem Kultus. Selbst das fröh- 
lichste unter ihren Festen, das Laubhüttenfest, wurde in 
derselben Ruhe und Friedlichkeit gefeiert; selbst dieses Fest 
giebt einem keuschen und schamhaften Gemüt keinen Anlass 
zum Ärgernis. Die jüdische Religion kannte auch den 
falschen Ascetismus nicht, der die Mehrzahl der alten Reli- 
gionen kennzeichnete, und der darin bestand, dass dem indi- 
viduellen Leben des Menschen Gewalt angethan wurde. 
Um ihre Ergebenheit gegen Gott auszudrücken, fasteten die 
Juden in den Zeiten des Unglücks und beim Tode der 
Ihrigen, oder in den Tagen óffentlicher Frevel, indem sie 
von Gott Vergebung erflehten. Das Gesetz dagegen schrieb 
nur ein einziges strenges Fasten am Versohnungstag vor . . . 
Endlich besass die jüdische Religion nicht, wie die 
meisten anderen Religionen, einen besonderen, geheimnis- 
vollen, nur wenigen Auserwählten zugänglichen Kultus, der 
von Orgien oder übertriebenem Ascetismus begleitet gewesen 
würe. Ein Beweis, dass es in dieser Religion weder eine 
Unzufriedenheit mit dem gewöhnlichen Kultus, noch extreme 
Anschauungen, noch jene Unklarheit und Unbestimmtheit
	        
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