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werfen. Du sollst das Recht nicht beugen, sagte es dem
Juden, und sollst auch keine Person ansehen noch Geschenk
nehmen. Es soll kein Unrecht geben weder im Gericht,
noch im Mass, noch im Gewicht beim Kauf und Verkauf
(Mos. 3.19, 35— 36. Mos. 5. 1, 16--17). Verflucht sei, wer
das Gesetz der Gerechtigkeit stört, das Recht des Nächsten
verkümmert. (Mos. 5. 27, 17).
Eine besondere Fürsorge für die unglücklichen Brüder
und Mitleid mit ihnen forderte das Gesetz von allen Mit-
eliedern der Gemeinschaft. Überall in ihm sind Lehren über
die Fürsorge für die Waisen, die Witwen und die Armen
eingestreut; alles in diesen Lehren atmet vàüterliche Fürsorge.
Bedrünget keine Witwen und Waisen, wiederholt häufig der
Gesetzgeber (Mos. 2, 22, 22 u. 5. 10, 18). Es verbietet, das
Feld vollständig abzuernten und das vom Schnitt Zurück-
gebliebene aufzulesen: ebenso auch alle Früchte vom Baume
zu pflücken. Vom Überfluss des Besitzers sollte auch der
Arme seinen Teil haben (Mos. 3. 23, 22 u. 5. 24, 19—21).
Es gebietet, den Armen Geld ohne Zinsen zu leihen (Mos. 2.
22, 25—26 u. 3. 25, 36—37). Jedermann war gehalten,
seinem Nächsten in der Bedrängnis beizustehen (Mos. 5.
15, 7—11) und den Armen die Schulden zu erlassen um
Gotteswillen.
K. In einer Religion, die allein unter allen Religionen
eine klare Vorstellung von der Abstammung aller Menschen
von einem einzigen Vater hatte und den Wert des Menschen
so überaus hoch anschlug, konnte kein Raum sein für eine
Unterscheidung zwischen Volk und Volk, für eine Einteilung
in höhere und niedere Rassen, in von Haus aus barbarische
und nicht barbarische Stämme. Die Juden waren das ein-
zige Volk der alten Welt, das einen richtigen, allumfassenden
historischen Blick für das Leben des Menschen und die
menschliche Gesellschaft besass, einen Blick, der selbst den
Griechen, diesem vornehmsten unter den Volkern des Heiden-
tums, abging. Sie konnten niemals das Bewusstsein von
der Einheit aller Völker und von den höheren allgemeinen
Daseinszwecken des gesamten Menschengeschlechts verlieren.