Reformatorische Bewegung in Dänemark
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Unter diesen Umständen dachte man von seiten beider Parteien daran, den für
Sommer 1530 berufenen Reichsstag zu Kopenhagen ähnlich wie den
gleichzeitig in Augsburg gehaltenen deutschen Reichstag zu einer Stätte endgültiger
Entscheidung zwischen Altem und Neuem zu machen. Die vom König eigens ein—
geladenen 21 lutherischen „Prädikanten“ kamen unter Hans Tausens Führung mit
fehr weitgehenden Reformvorschlägen'““) und einer ausführlichen Darstellung ihres
Glaubensstandpunktes. Ihre 43 Artikel sind ein wundervolles, durchaus selb—
ständiges, volkstümliches und kräftiges Zeugnis des neuen evangelischen Geistes,
und man kann es fast bedauern, daß nicht sie, sondern die theologisch gehaltene, be—
hutsam wandelnde Arbeit Melanchthons später zum symbolischen Buche Dänemarks
geworden ist. Die Prälaten hatten sich durch Berufung eigener gelehrter Mönche
von der Kölner Universität zu einer Disputation gerüstet. Es kam jedoch nicht zu
einer solchen; sie mußten sich mit der Einreichung einer von dem damaligen Ordens—
provinzial von Köln, Dr. Nikolaus Ferbe von Hernborn abge—
faßten lateinischen Widerlegung der dänischen Artikel begnügen.
Es kam überhaupt nicht zu einer neuen Entscheidung in Sachen der Religion.
Der König blieb fest bei seiner Neutralitätspolitik; es erfolgte sogar eine königliche
Ordonnanz, nach welcher im ganzen Königreich der, welcher „die Gnade habe“,
Gottes Wort und Evangelium klärlich predigen und öffentlich lehren dürfe, jedoch
so, dast er nichts anderes predigen solle, als er mit der Heiligen Schrift beweisen
könne; andernfalls habe er sich selber gerichtlich zu verantworten.
„Das blieb in religiöser Hinsicht der Haupterfolg des Reichstages. Hans Tausen
und seine Parteigenossen standen nicht mehr außerhalb des Gesetzes; die Wort—⸗
verkündigung stand für jeden, der in sich die evangelische Gnadengabe fühlte, frei;
es war nun an den Prälaten, zu beweisen, daß die Lehre der Lutheraner ausierhalb
der Schrift stehe, daß sie Ketzer seien.“ DRH III, 314.
Da die altgläubigen Kreise ziemlich vom Geist verlassen waren — ihr einziger
literarischer Vertreter im Inlande war Paul Helgesen —, das Luthertum aber in
jener Zeit der ersten Liebe über sehr tüchtige Kräfte verfügte, mußsitte die königliche
Neutralitätspolitik diesem zum Vorteil gedeihen. So ging denn trotz eines groben
Mißgriffes auf lutherischer Seite — am 3. Weihnachtstag 1530 stürmten Kopen—
hagener Bürger mit dem Bürgermeiste Ambrosius Bogbinder und ein
paar Ratsherren an der Spitze die Frauenkirche, verjagten die katholischen Priester
und zerstörten die Bildwerke; Hans Tausen versuchte vergeblich, die Ausschreitungen
zu dämpfen — die reformatorische Bewegung gerade nach 1530 besonders kräftig
fort. In den meisten Städten wurden die Mönche verjagt, wobei es nicht ohne
Gewalttätigkeit abging. Ausgenommen die Bischofssitze Lund, Roskilde, Ribe und
Helsingör ertönte in fast allen Städten des Reiches evangelische Predigt. Ja, die
neu vom König ernannten Bischöfe für Lund, Ripen und Seeland mußten sich
verpflichten, in ihren Stiften das Evangelium predigen zu lassen und die Prädi—
kanten nicht zu vergewaltigen oder am Ehelichwerden zu verhindern. So hatte die
evangelische Lehre durch eigene Kraft eine starke Stellung gewonnen; es hatte ganz
den Anschein, als wolle sie bald den Sieg gewinnen — da trat mit dem Ableben
König Friedrichs und mit den Wirren, die seinem Tode folgten, ein gewisser Still—
stand, ia eine Art von katholischer Reaktion ein.
) So forderten sie, daß, wie in Hadersleben geschehen sei, alle Dorfpriester in vier Meilen
Umkreis angehalten werden sollten, bei evangelischen Lehrmeistern in den Städten Unterweisung
zu suchen, und dast nur solche das Evangelium predigen dürften, welche „von Lehrmeistern und
Praedikanten“ für tauglich erklärt seien. Also schon Glaubenszwang statt Prediagtfreiheit, wie
sie der König befürwortete! Val. DRMIII, 310.