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In dem Maß, wie die heute arbeitenden Gruppen in Literatur
und Theater, Fdm, Bautechnik, Musik und bildender Kunst, Fach
leute für ganz bestimmte Teilaufgaben brauchen, verflüchtigt sich
d.r Begriff des künstlerischen Werkes als des Isolierten in der
Ruhe eines großen Lebens gewachsenen Emzelwerkes.
Künstlerische Gestaltung kann nicht mehr Einzelwerk sein, setzt
aber doch das persönliche, höchst differenzierte und selbständige
Können jedes einzelnen voraus, der in der Gruppe verantwortlich
mitarbeitet. Der Begriff Künstler und künstlerische Gestaltung
ist heute bereits in diesem Sinn gewendet. Künstler, Dichter,
Maler, Musiker in dem alten Sinn des Wortes gibt es kaum mehr.
Man scheut sich zum mindesten, solche Worte zu gebrauchen. Von
sich selbst brauchen alle, die heute künstlerisch tätig sind, am
liebsten das Wort „arbeiten“. Der eine arbeitet an einem Roman-
kapilel, der andere an einer Tanzkomposition, wieder andere ar
beiten an der Konkurrenz für den Bahnhofsumbau in der oder
jener Stadt oder an dem Preisausschreiben der Berliner Illustnrten
für die beste Kurzgeschichte. Man arbeitet und übt. Innerhalb
eines verzweifelten Durcheinanders von Anschauung n und laten
der widersprechendsten Art werden doch schon hier und da Ge
staltungen sichtbar, von solchen, die unablässig und stets in gleicher
Richtung ihre Arbeit in der Gruppe der Mitverantwortlichen prü
fen, tun und immer weiter tun. \
Kunst und künstlerische Gestaltung wird also der Arbeit und
Übung zugänglich in einem früher nicht gekannten Umfang. Mehr
Menschen als früher werden herangelassen. Was ist der Sinn
dieses Drängens? Gestalteter Ausdruck im Sinn der Kunst wird
als der uralte Ausweg aus der Bedrängnis des Lebens erkannt,
der bis zu einem gewissen Grade jedem Menschen möglich ist.
So wie jedes Kind im Spiel es kann.
Kunsterziehung bekommt damit ihren neuen Sinn über dis Kunst
hinaus Nicht mehr handelt es sich darum, einzelne Begabte zum
Künstler zu erziehen. Dies wird vielmehr der seltene Spezialfall
innerhalb einer viel umfänglicheren Aufgabe. Es gilt, möglichst
viete Menschen und schon von Kind an zu schulen, daß sie eine